Manipulation in der Coachingbranche – Interview mit Instagram-Coach Julia Müller
Denkst du direkt “Das klingt total unseriös!” oder denkst du “Cool, das will ich!”?
Wenn du dieses Versprechen unseriös findest, bist du schon weiter als ich vor einem Jahr.
Zu meiner Verteidigung muss ich allerdings sagen, dass mir das “Super erfolgreich ohne viel Arbeit”-Konzept damals wesentlich subtiler verkauft wurde.
Doch oft sind diese Versprechen gar nicht subtil: Die Onlinebusiness- & Onlinecoaching-Welt ist voller Angebote, die dir zeigen wollen, wie du als Selbstständige sofort ganz viel Umsatz machst – und das quasi, ohne zu arbeiten. Erst gestern habe ich eine Werbeanzeige mit folgendem Slogan gesehen: “33.000€ Umsatz in 33 Tagen”. Mit dem “Goldcode”. “Von null auf Empire.”
Heute würde ich ja darüber lachen. Wenn es nicht immer noch viele Frauen geben würde, die auf diese Versprechungen reinfallen…
Als Kommunikationstrainerin habe ich ein besonderes Ohr für Sprache und als ausgebildeter Coach außerdem einen guten Einblick in die Coachingbranche. Was mir dabei in letzter Zeit vermehrt auffällt, sind manipulative Techniken, die schon in der Verkaufsphase eingesetzt werden.
Da ich diese Entwicklung sehr gefährlich finde, spreche ich im Interview mit Julia Müller, Instagram-Coach und Verkaufsexpertin, über manipulative Verkaufstechniken und wie du sie erkennst.
Du lernst in dieser Folge:
- wie du manipulative Verkaufstaktiken erkennst,
- was du tust, wenn du das Gefühl hast, dass du manipuliert wirst,
- wie du einen seriösen Coach erkennst, der dir nicht einfach nur 10.000 € aus den Rippen leiern und dich danach mit Kalendersprüchen bewerfen will.
Nach dieser Folge lassen dich manipulative Verkaufstechniken sowas von kalt.
Erkenntnis Nr. 1: Manipulation fängt beim Verkaufen an.
Was ist eigentlich die Definition von Manipulation?
“Manipulation ist eine verdeckte Beeinflussung, die meist zum Schaden einer Partei führt.”
Viele Coaching-Pakete sind hochpreisig und kosten 5.000-10.000 € oder mehr. Die Hürde, so viel Geld für Coaching auszugeben, ist also recht hoch.
Um ihre hochpreisigen Pakete mit oft zweifelhafter Leistung trotzdem zu verkaufen, verwenden manche Coaches schon im Vorfeld Techniken und Aussagen, die ich für hoch manipulativ halte:
- “Du willst es nicht wirklich.”
Bei einem vier- oder fünfstelligen Preis für ein Coaching ist es völlig legitim, zu zögern, darüber nachdenken oder darüber schlafen zu wollen.
Um dich davon abzuhalten, zu lange darüber nachzudenken, verwenden manche Coaches folgende Formulierungen:
“Du willst es nicht wirklich.” oder “Du bist wohl noch nicht bereit, all-in zu gehen.”
Durch diese Aussagen wirst du unter Druck gesetzt. Außerdem wird dir Schuld übertragen: Du bist nicht erfolgreich, weil du es nicht wirklich willst.
- “Du bist es dir nicht wert.”
Achtung, eine sehr gefährliche Aussage, die massiv unter Druck setzt und auf den Selbstwert des*r potentiellen Käufers*in anspielt.
Lass dich hier nicht verunsichern: dein Selbstwert hat nichts damit zu tun, ob du ein Coaching buchst oder nicht!
- “Du hast das falsche Moneymindset.”
Diese Aussage wird verwendet, um (oft gerechtfertigte) Zweifel am Preis-Leistungs-Verhältnis des Coachings vom Tisch zu fegen.
Mit einem “guten” Moneymindset hinterfragst du Preise nämlich nicht, sondern gibst Geld gerne aus – egal, wie viel das Paket kostet und was du dafür bekommst.
- “Wenn es jetzt bei dir kribbelt/es sich richtig anfühlt, dann spring.”
Hier muss ich leider enttäuschen:
Wenn es “kribbelt”, muss das kein Zeichen vom Universum sein. Es bedeutet einfach nur, dass es sich um gutes Marketing handelt. Ein guter Verkaufstext, der seine Zielgruppe genau anspricht, sollte immer kribbeln. Das ist aber nicht automatisch das Zeichen, dass du jetzt auch kaufen musst.
Erkenntnis Nr. 2: Manipulation passiert auch im Coaching selbst.
Wenn das teure Coaching-Paket dann gebucht ist, geht es oft weiter mit der Manipulation:
- “Da triggert dich was!”
Im Coaching (oder sogar schon im Verkaufsgespräch) fällt oft der Satz: “Da triggert dich was!”
Das Wort “triggern” wird in der Coachingbranche inzwischen inflationär verwendet – denn sobald du dich traust, etwas kritisch zu hinterfragen, “triggert” dich angeblich etwas.
In der Psychologie wird das Wort “Trigger” aber anders definiert:
“Trigger sind sogenannte Hinweisreize. Sie können bewirken, dass Menschen mit nicht verarbeiteten Traumata mit den Gefühlen überflutet werden, die damals in der traumatischen Situation abgespeichert worden sind.”
Das heißt: ein kritischer Gedanke, den du äußerst, ist kein Trigger! Und ein seriöser Coach erkennt den Unterschied.
Das Problem dabei: Findet ein Coach einen angeblichen “Trigger”, erzeugt er damit unter Umständen sogar Probleme, die gar keine sind. Ein Beispiel für solch eine Problemerzeugung ist etwa diese Aussage: “Dich triggert der Preis von 10.000 €? Dann hast du Geldblockaden, die wir auflösen müssen.”
Nein, verdammt, da triggert mich nix! Ich finde 10.000 € für ein Coaching einfach nur Abzocke!
- Die “Alles ist möglich”-Lüge
Guruhafte Coaches versprechen uns, dass wir große Ziele erreichen können, wenn wir nur alles genau so machen, wie sie es uns sagen. Erreichen wir die Ziele nicht, haben wir uns nicht genug angestrengt.
Achtung: Das hat mit Coaching nichts zu tun!
Ein seriöser Coach macht dir keine unerreichbaren Erfolgsversprechen, weil du in seiner tollen “Energie” bist. Er oder sie weiß nämlich sehr wohl, dass es Grenzen gibt. Und gemeinsam mit dir wird er oder sie diese Grenzen mit dir anschauen und einen individuellen Weg für dich erarbeiten, wie du deine ganz persönlichen Ziele erreichst.
- “Mach alles, was ich sage. Ich bin den Weg ja schon gegangen, ich weiß, wie es läuft.”
Ein seriöser Coach verlangt niemals von dir, dass du alles machst, was er oder sie dir sagt oder dass du seine oder ihre Methode 1:1 auf dich überträgst. Denn im Coaching geht es NIE um den Weg des Coaches, sondern um den Weg des Coachees.
Ein Coach ist ein Prozessbegleiter. Das heißt, er gibt dir keinen Weg vor, sondern hilft dir dabei, dass du deinen eigenen Weg findest. Und wie der genau aussehen wird, weiß auch der Coach nicht.
Dir zu versprechen, dass du nach 3 Monaten Zusammenarbeit mit ihm 6-stellige Umsätze machst, hat nichts mit Coaching zu tun. Und frag dich mal, wie realistisch das wirklich ist.
“Du hast dich nicht genug angestrengt.”
Es ist ganz simpel: Ein seriöser Coach überträgt dir keine Schuld.
Du merkst: es gibt schwarze Schafe in der Coachingbranche. Und ein Schaden durch Manipulation entsteht vor allem dann, wenn es um viel Geld geht.
Deshalb solltest du gerade bei hohen Investitionen immer ein Vorgespräch führen, hinterfragen, wenn dir etwas unklar ist oder seltsam erscheint und über deine Entscheidung schlafen.
Will dein potentieller Coach nicht, dass du kritische Fragen stellst oder drüber schläfst, ist das schon das erste Anzeichen, dass du bei ihm oder ihr auf der Hut sein solltest!
Erkenntnis Nr. 3: Es gibt gute Coaches und man kann sie erkennen.
Ein Coach ist kein Guru, sondern ein Prozessbegleiter. Das merkst du daran, dass er DICH in den Mittelpunkt des Coachings stellt. Nicht seine Geschichte. Die Geschichte deines Coaches hat im Coaching nichts verloren (oder sollte maximal als Randnotiz auftauchen) – im Coaching selbst sollte es immer um DICH gehen. Und du solltest dich niemals klein gemacht oder unter Druck gesetzt fühlen.
Folgende Regeln solltest du also immer im Hinterkopf haben, wenn du auf Coachsuche gehst:
- Ein seriöser Coach setzt dich im Verkaufsgespräch nicht unter Druck.
- Ein seriöser Coach wird nie von dir verlangen, ihm oder ihr blind zu folgen (Achtung, das ist tatsächlich eher Sekten-ähnlich!). Ein seriöser Coach wird mit dir gemeinsam eine individuelle Lösung entwickeln, die zu dir passt.
- Ein seriöser Coach stellt sich und seine oder ihre Geschichte nie in den Vordergrund.
MERKZETTEL:
"Im Coaching geht es immer um DICH. Ein Coach ist nur ein Prozessbegleiter."
Carina Tenzer Tweet
Denke daran: du darfst immer drüber schlafen. Du darfst immer kritisch nachfragen. Und DU bist der Mittelpunkt des Coachings.
Wenn du das bei deinem potentiellen Coach nicht so empfindest, dann nimm deine Beine in die Hand und suche dir einen neuen Coach!
Manipulation im Coaching passiert häufiger als wir denken
Seit ich selbst fast auf einen Betrug hereingefallen bin und öffentlich darüber spreche, bekomme ich so viele Nachrichten von Frauen, die ebenfalls im Verkaufsprozess unter Druck gesetzt und sogar mit abwertenden Nachrichten bombardiert wurden, wenn sie sich aus dem Verkauf zurückziehen wollten.
Denn falls du jetzt denkst “Sowas gibt es doch gar nicht, sowas passiert nicht in echt!”, kann ich dir leider sagen:
Oh doch! Und zwar öfter als du und vermutlich sogar öfter als ich denke. Nur trauen sich viele Frauen nicht, sich dagegen zu wehren oder aus Angst und Scham schweigen, wenn es ihnen passiert ist und sie überredet und überrumpelt wurden und auf einen Betrug reingefallen sind.
Warum mich das Thema so emotional macht?
Weil ich in meinem Business dafür stehe, Frauen dabei zu helfen, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Und sich eben nicht von manipulativen Verkaufsmaschen übers Ohr hauen zu lassen!
Weil ich dafür stehe, Frauen unabhängiger zu machen. Und sich nicht einreden zu lassen, da würde sie etwas “triggern” – nur weil sie kein (überteuertes) Coaching buchen wollen.
Weil ich dafür stehe, dass sich Frauen selbst um ihre Finanzen kümmern. Und nicht ihre Altersvorsorge auflösen für ein Coaching, in dem ein Coach nur mit Kalendersprüchen um sich wirft (und sich selbst bereichert).
(Spoiler: Sie ist etwas länger geworden, als du es von mir gewohnt bist, also schnapp dir eine Tasse Tee und mache es dir bequem!)
EXTRA: Mein Praxistipp für Dich
Oder diesmal Julias Praxisstipp für Dich, denn ihr Satz ist einfach zu gut:
“Augen auf beim Coaching-Kauf!” 😉
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Kleinmachen war gestern!
Deine Carina
© Fotos: Header: Vlad Hilitanu via Unsplash; Podcast-Player: Nina Wellstein; Empfohlene Beiträge: Max van den Oetelaar via Unsplash, Karsten Winegeart via Unsplash
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